
Sonnenschuss
Dank unseres Bord-WLANs sind wir reichlich mit Datenvolumen versorgt. Das Wetter ist semi-gut. So haben wir zwei Abende lang an einem Online- Seminar „Astro-Navigation“ teilgenommen.
Jörg hat vor Jahren einen Sextanten aus einem russischen U-Boot geschenkt bekommen. Von dem Freund, mit dem er als sechzehn jähriger Kerl das erste Segelboot gebaut hat. Der Sextant aus den 80er Jahren stand bisher nur rum. Die Beschreibung (in Russisch) hilft nicht gerade weiter. Anhand von reichlich Literatur zum Thema, konnten wir nicht zum Kern vordringen. Da kam das Seminar wie gerufen. 
Die zwei fetten Handbücher, den Nautical Almanac und den Sight Reduction Table, die das Format des Berliner Telefonbuches haben und von der ersten bis zur letzten Seite voller winziger Zahlen stehen. Also, diese zwei Bücher braucht man. Das erste jedes Jahr neu, für jeden Tag des Jahres sind dort Sonne- Mond – und Sternenpositionen aufgeschrieben. Das andere enthält Rechenorte und deren Richtung zur Sonne. Hääääääääääää?
Mit Sextantenmessung, den Daten aus den Büchern und Rechnen, rechnen, rechnen, sollte dann im Idealfall eine Standlinie zu zeichnen sein, in eine Seekarte, die man auch noch selbst zeichnen muss. Alles zwei mal. Wenn sich beide Linien schneiden, hat man seine Position ermittelt.
Wow. Zwei Tage, wie viele neue Begriffe, Zenit- Distanz, Breitengrad, Längengrad, Deklination, Richtung zur Sonne, Azimuth. Uns rauchten die Köpfe und ehrlich gesagt, alles haben wir nicht verstanden. Es war aber richtig spannend und anhand der Aufzeichnung können wir uns wohl den Rest erarbeiten. Und viel üben.
Den ersten Sonnenschuss haben wir auch schon probiert. Mittags auf der Mole. Aber natürlich nicht einfach um 12 Uhr, das wäre zu billig. Angenommener Längengrad des aktuellen Standortes, Mittag am aktuellen Tag in Greenwich (Nautical Almanac) und dann die Dauer der Sonnenwanderung (1 Grad in 4 Minuten) bis zum angenommenen Längengrad errechnen = 12:25 Uhr. Und die Sonne schien auch. Also, geht doch. 
Es ist kompliziert und langwierig. In Zeiten von GPS scheint es aus der Zeit gefallen. Doch, wie schnell kann die Elektronik einmal ausfallen. Da schadet es sicher nicht, als Redundanz die altbewährte Methode zu beherrschen.


