
Stürmische Zeiten
Auf dem Weg Richtung Nordwest an der toskanischen Küste haben wir eine längere Etappe vor uns. Die Möglichkeiten zum Ankern sind hier nicht mehr so zahlreich.
70 Seemeilen, 12 bis 14 Stunden, deshalb brechen wir beim ersten Dämmerlicht auf. Zum einen wollen wir auf keinen Fall bei Dunkelheit ankommen, zum anderen sind bei Livorno Gewitter angesagt, denen möchten wir zuvorkommen.
Es geht super los. Guter Wind, wir kommen schneller voran als geplant.
Vor uns bauen sich Woken auf, die machen uns aber keine Sorgen, der Wind steht so, dass sie wegziehen müssten. Dann werden die Wolken immer dunkler und, komisch, scheinen näher zu kommen. In der Ferne regnet es bereits.
Auch wenn wir noch immer nicht damit rechnen, dass wir da reinkommen, bereiten wir uns vor. Segel rein, erst das Vorsegel, dann das Großsegel. Es wird immer dunkler. Luken zu, Regenjacken, die muss ich erst suchen, es hat seit Wochen nicht geregnet. Die Rettungswesten.
Von einer Sekunde auf die andere tobt das Gewitter los. Es schüttet wie aus Eimern, der Wind kommt aus dem Nichts und peitscht uns bis 40 Knoten. Sicht, so gut wie Null.
Wir sind auf der Höhe von Livorno, 3 Stunden vor dem vorhergesagten Gewitter.
Etwa 7 Kilometer vom Hafen Livorno entfernt, liegt die „Secche della Meloria“, ein Felsen mitten im Meer, mit einem Turm drauf, umgeben von Untiefen.
Als das Gewitter losbricht, sind wir ca. 1 Seemeilen von der Stelle entfernt.
Jörg ist am Steuer, ich am Ausguck, wir schauen uns die Augen aus dem Kopf, von dem Turm ist plötzlich nichts mehr zu sehen, Kurs halten ist kaum möglich, wir befürchten, in die Untiefen, oder gar auf den Felsen zu donnern. Man sieht nichts.
Die Wellen bauen sich mehr und mehr auf, irgendwann hoffen wir, den Felsen hinter uns zu haben.
Wir sind trotz Regenjacken bis auf die Haut nass und frieren. Ich geh kurz runter, um mir andere Regenklamotten anzuziehen. Plötzlich ein ohrenbetäubender Knall. Ich rase an Deck und frage Jörg, was passiert ist. Es hat ein Blitz 10 Meter neben dem Schiff ins Wasser eingeschlagen. Wow, selbst beim Aufschreiben schlägt mir das Herz noch bis zum Hals.
Der Regen dauert zwei Stunden, der Wind schwächt auf 15-20 Knoten ab, baut aber eine hässliche Welle auf. Zum ersten Mal auf unserer Reise werde auch ich seekrank.
Kurz nach sieben sind wir am Ziel. In der Bucht von La Spezia. Noch ahnen wir nicht, dass der Spuk noch die ganze Nacht andauern wird. Die Welle drückt in die Bucht und wirft uns die gesamte Nacht durch die Gegend, an Schlaf ist kaum zu denken. Für einen alternativen Ankerplatz ist es zu spät, also aushalten. Zum Glück wird es gen Morgen ein bisschen besser. Die Welle hat sich fast abgebaut.


